„Ein besonderes Problem für Europa sind die afrikanischen Bootsflüchtlinge. Es handelt sich fast ausschließlich um starke junge Männer im besten Alter. Sie - bzw. ihre Familien - waren für afrikanische Verhältnisse durchaus nicht arm. Die wirklich Armen und Verfolgten können die vielen Tausend Euro nicht aufbringen, welche nötig sind, um die Schlepper in Nordafrika zu bezahlen und um sich während der oft monatelangen Odyssee durch verschiedene afrikanische Staaten über Wasser zu halten. So ist es nicht verwunderlich, dass sich in dieser Gruppe - die nur sehr geringe Chancen auf Anerkennung eines Asylantrages hat - eine besonders aggressive Anspruchshaltung entfaltet hat.
Zudem haben sie sich freiwillig - und fast immer ohne Bedrohung von Leib und Leben in ihrer Heimat - auf die überladenen Boote der Schlepper begeben. Sie wissen, dass diese Boote weder Nahrung noch Wasser oder Benzin für die Überfahrt an Bord haben und sich die Schlepper bereits innerhalb der Hoheitsgewässer aus dem Staub machen. Dann muss man nur noch auf die "Migrantentaxis" warten, die in Rettungsschiffen der EU oder von NGOs bestehen. Dass bei diesen verantwortungslosen Überfahrten in den letzten Jahren vermutlich viele Tausend dieser jungen Afrikaner umgekommen sind, ist entsetzlich.
Es erinnert allerdings auch daran, dass vor dem Sturz der arabischen Diktatoren in Libyen und Tunesien bereits Verfahren existierten, die diese selbstmörderischen Fahrten eindämmten, weil man die Schlepperbanden verfolgte. Man muss auch zugeben, dass die bedingungslose Aufnahmepraxis der EU-Länder und ihre de facto Dienstleistung für die Schlepperorganisationen mit Hilfe der „Migrantentaxis“, diese Migrantenströme erst ermutigen und ermöglichen. Allerdings wird es an der Situation in Afrika nicht das Geringste ändern, selbst wenn Europa viele Millionen dieser Migranten aufnimmt.
Wäre ich selbst ein arbeits- und perspektivloser junger Mann in Afrika, würde ich mich vermutlich auch auf den beschwerlichen Weg machen und die letzten Mittel meiner Großfamilie hierfür einsammeln. Durch Mobiltelefone und die Medien hätte ich erfahren, dass ich in Europa ein Luxusleben führen würde – verglichen mit meiner jetzigen Situation und der meiner Altersgenossen. Dies wäre ja auch dann der Fall, wenn mein Asylantrag abgelehnt würde und ich nie eine Arbeit fände. Auch dann könnte ich meinen Verwandten zu Hause noch das Geld zurückzahlen, welches sie für meine Reise aufgewandt haben. Vielleicht könnte ich sie sogar dauerhaft unterstützen. Es fällt also nicht schwer, diese jungen Männer zu verstehen.
Würde man dem australischen oder neuseeländischen Vorbild folgen und die Boote bzw. die Flüchtlinge wieder zurück - bzw. in ein nordafrikanisches Auffanglager - bringen, käme der Ansturm ebenfalls innerhalb von 2-3 Wochen vollständig zum Erliegen. Dass dort und in den Konsulaten Anlaufstellen für Asylanträge zur legalen Einreise geschaffen werden müssen, versteht sich von selbst, um wirklich Schutzbedürftigen zu helfen.“
Zitat aus: Die Religion der Überkompensationen, Marc DeSargeau, FAGULON-Verlag 2021
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