Passive Lügen über die Polizei in den USA durch Verengung des Betrachtungsrahmens
Offiziell preisen sich die Polizeibehörden als mutige Diener der Bürger, die hocheffizient allen Arten von Kriminalität begegnen. Die Trump-Administration ist eine Echokammer dieses Selbstlobs. Viele Aspekte der Wahrheit werden durch diese Verengung des Betrachtungsrahmens ausgeblendet. Tatsächlich handelt es sich oft um Truppen überforderter und arroganter Amateure. Die Ausbildung dauert maximal 6 Monate, ist in jeder der vielen Polizeiorganisationen anders und vielfach von geringer Qualität. Die Leute kommen aus allen möglichen Berufen. Polizeidienst ist einfach mal ein anderer Job, den man nach einiger Zeit auch wieder verlässt.
Dazu kommt eine "coole" US-Macho-Haltung mit Spaß an Dominanz und Angeberei. Auch hier gilt wieder: Es ist keine Macht zu klein, um nicht missbraucht zu werden. So sind denn auch viele Polizisten schnell erregt und beleidigt, wenn man ihre Dominanz und Kompetenz in Frage stellt. Absurder Ausdruck dieses Dominanzgehabes ist auch das Anlegen von Handschellen oder Handfesseln bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Die schnellen Verhaftungen aus nichtigem Anlass sind eine weitere willkommene Möglichkeit der Demütigung von Bürgern durch Polizisten.
Rund 18.000 verschiedenen Polizeiorganisationen gibt es in den USA. Sie sind alle rechtlich unabhängig und haben unterschiedliche Standards der Ausbildung und Dienstausübung. Insofern ist eine umfassende Polizeireform seit Jahrzehnten überfällig und kann nur durch gesamtstaatliche Maßnahmen erreicht werden. Das ist aber in den USA auf absehbare Zeit eine Illusion, wenngleich Trump auch hier erste Schritte gegangen ist. Die Streichung von Mitteln für die Polizei ist eine offensichtlich absurde Forderung: Sie führt zum Ausufern der Kriminalität und zur Zerstörung der Motivation vieler Polizisten. Die Orgien von strafloser Brandstiftung und Plünderung im Angesicht verunsichert zuschauender Polizisten und Stadtverwaltungen ist nur ein Vorgeschmack auf die Folgen solch lächerlicher Vorschläge. Genau das Gegenteil wäre angebracht: Riesige gesamtstaatliche Investitionen zur Verbesserung und Kontrolle der Ausbildung und des Verhaltens der Polizei wären nötig. Aus 18.000 Organisationen könnte entweder eine einzige gemacht werden oder wenigstens eine, die einen gesamten Bundesstaat umfasst. Nur so sind einheitliche Standards und Kontrollen möglich.
Passive Lügen zur Marginalisierung unerwünschter Tatsachen: Das unnötige und tödliche Aufschaukeln von Konflikten
Wenn demütigender Macho-Aktionismus von Polizisten auf den oftmals übertriebenen Stolz trifft, mit dem viele Schwarze und Latinos/Hispanics ihr unterdrücktes Unterlegenheitsgefühl kompensieren, ist eine Gewaltexplosion nicht mehr weit. Dies führt beim weit verbreiteten Waffenbesitz schnell zu tödlichen Eskalationen. Also ist die Vorsicht der Polizei bei Verkehrskontrollen und Verhaftungen berechtigt. Dennoch: Es gibt sehr viele unentschuldbare Tötungen durch Polizisten. In den letzten 20 Jahren sind in den USA rund 13400 Menschen von der Polizei erschossen worden. Rund die Hälfte von ihnen waren Afroamerikaner. Angesichts des geringeren Anteils dieser Gruppe an der Gesamtbevölkerung ist dies ein wesentlich höherer Anteil von Tötungen durch Polizisten als bei den weißen Amerikanern.
Häufig wird geschossen, wenn auch nur der Verdacht eines Gegenangriffs besteht, wie man in den vielen Aufzeichnungen der Körper-Kameras von Polizisten besichtigen kann, die im Internet zu sehen sind. Oft erweisen sich die "Angreifer" als unbewaffnet. Zudem wird fast immer mehrfach und mit Tötungsabsicht geschossen, obwohl doch ein Schuss ins Bein oder ein Taser fast immer ausgereicht hätten, einen möglichen Angriff abzuwehren. Die meisten Polizisten werden nach solchen Tötungen von jeder Schuld freigesprochen. Wenn man jedoch diese Videos sieht, entsteht der Eindruck mörderischer Gewalt überforderter Amateure in Uniform.
Passive Lügen zur Verheimlichung der wahren Motivation von vielen Festnahmen: Die kolorierte Beleuchtung
In vielen dieser unabhängigen Polizeieinheiten können sich Polizisten Vorteile in ihrer Karriere und damit auch finanzielle Vorteile erwerben, wenn sie eine hohe Zahl von Verhaftungen und Beschlagnahmen vorweisen können. Ein ähnlicher Stimulus geht von der Wahl von Sheriffs oder Polizeichefs aus, die (ähnlich wie die Staatsanwälte) in einigen Bundesstaaten oder Regionen von der Bevölkerung gewählt werden. So steigert man seine Chancen durch den Nachweis der Effizienz polizeilicher Arbeit, die sich quantitativ allerdings nur an der Zahl der Verhaftungen oder Verurteilungen festmachen lässt. Also entsteht auch hier ein völlig ungesunder Anreiz.
Eine weitere Motivation für Festnahmen besteht in der Leichtigkeit, mit welcher die Polizei Autos oder Wertgegenstände der Verhafteten beschlagnahmen und in den Besitz der Strafverfolgungsbehörden bringen kann. Es muss nur die Vermutung bestehen, dass diese entweder unrechtmäßig erworben oder für eine Straftat verwendet wurden. Dann liegt es am Inhaftierten, das Gegenteil hieb- und stichfest zu beweisen. Gelingt ihm das nicht (was in vielen Fälle objektiv unmöglich sein dürfte), kann die entsprechende Polizeiorganisation seinen konfiszierten Besitz behalten und das Budget damit aufbessern. Auch dies ist eine schrecklich verführerische Möglichkeit, die in allen Bundesstaaten besteht.
Dazu kommt die weit verbreitete Praxis des "stop and frisk", also des Festhaltens und Durchsuchens von Menschen ohne konkreten Verdacht. Auf diese Weise kann ein demütigender Terrorismus der Angst erzeugt werden, besonders da Schwarze und Latinos/Hispanics zum allergrößten Teil von diesen Maßnahmen betroffen werden. Natürlich wird diese Praxis damit gerechtfertigt, dass bei ihnen tatsächlich mit höherer Wahrscheinlichkeit Drogen oder illegal erworbene Waffen gefunden werden können. Häufig sind es aber Lappalien. Das ändert aber nichts daran, dass sich diese Bevölkerungsgruppe durch solche Praktiken ständig bedroht und gedemütigt fühlt.
Zitat aus: Die Religion der Überkompensationen, Marc DeSargeau, FAGULON-Verlag 2021
Comments