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Jens Gnisa und FAGULON

Bagatelljustiz und Mammutverfahren


Es sind nicht nur die Massen unnötiger Bagatellverfahren und die künstlich in die Länge gezogenen Mammutverfahren, welche die Justiz über die Grenze ihrer Belastbarkeit strapazieren. Dazu kommen zehntausende Verfahren, in denen abgelehnte Asylbewerber gegen ihre Abschiebung klagen. Obwohl ihnen als illegal Einreisende Bürger fremder Staaten dieses Recht verfassungsgemäß eigentlich nicht zustände, wird es dennoch - genau wie die Hartz-IV-Versorgung - gewährt.


Da der Staat ihre Anwälte bezahlt und diese sich dadurch ein schönes Einkommen sichern können, wird die Flut dieser Klagen nicht abreißen, selbst wenn die wenigsten damit Erfolg haben. Da es zudem noch ein großes Arsenal von Methoden gibt, die rechtsgültige Abschiebungsentscheidung zu unterlaufen, ist relativ sicher, dass fast alle unbegrenzt in Deutschland bleiben und auskömmlich versorgt werden. Es besteht also ein unwiderstehlicher Anreiz, alle Elemente des Rechtsstaates so auszunutzen, also wäre man ein Bundesbürger oder jemand, der sich legal im Land aufhält.


Zitat 1: Veraltete Vorschriften werden eben nicht angewandt, na gut. Aber schlimm wird es, wenn solche Marginalien zu großen Belastungen des Rechtswesens führen. Etwa das Schwarzfahren. Das könnte man auch ganz anders lösen als durch das Strafrecht. In Paris und London kommt man ohne Ticket gar nicht auf den Bahnsteig. Bei uns ist das anders. Die Verkehrsbetriebe haben sich genau ausgerechnet, was solche Zugangsbeschränkungen kosten würden. Sie sind teuer, billiger kommt es die Verkehrsbetriebe, wenn sie die Kosten dem Steuerzahler aufbürden, über seine Justiz. Das System wird nur dadurch gerettet, dass in fast allen Verkehrsbetrieben der Täter erst ab der dritten Tat angezeigt wird. Der Aufwand für die Justiz ist gleichwohl gigantisch. Allein in Berlin wurden im Jahr 2015 über 13 000 Personen wegen Schwarzfahrens von der Justiz abgeurteilt.

Jens Gnisa, Das Ende der Gerechtigkeit, Ein Richter schlägt Alarm, Verlag Herder, 2017, Seite 145


Zitat2: Der NSU-Prozess: Dauer und Kosten

Vorwurf: Mord in zehn Fällen, zwei Sprengstoffanschläge, 15 Raubüberfälle und eine besonders schwere Brandstiftung.

Beginn: 6. Mai 2013

5 Angeklagte (Beate Zschäpe, Ex-NPD-Funktionär Ralf

Wohlleben sowie Holger G., Carsten S. und André E.),

14 Verteidiger

Bis zum 27.04.2017 360 Verhandlungstage

Bis Mitte Januar 2017 Anhörung von über 590 Zeugen und

Sachverständigen (Quelle: nsu-watch.de)

Über 70 Nebenkläger mit mehr als 50 Anwälten (Quelle: nsu-nebenklage.de)

Bisherige Kosten 50 Millionen Euro, pro Prozesstag ca. 150 000 €

480 Seiten Anklageschrift, 650 Aktenordner in 56 Kisten mit den Ermittlungsergebnissen der Bundesanwaltschaft

Schon an den Rahmendaten bei diesen historisch bedeutsamen Verfahren mit extrem hohem Aufwand wird deutlich, dass Prozesse heute viel schwieriger zu führen sind: Es müssen mehr Zeugen vernommen werden, es sind mehr Verteidiger, Nebenkläger und Nebenklägervertreter einzubinden, und der Prozess dauert insgesamt deutlich länger. Hier wirkt sich vor allem unser Revisionsrecht aus, das sich in den Jahrzehnten seit dem Auschwitz-Prozess immer weiter verästelt hat und wesentlich differenzierter geworden ist: Es muss deshalb deutlich mehr Rechtsprechung berücksichtigt werden.

Jens Gnisa, Das Ende der Gerechtigkeit, Ein Richter schlägt Alarm, Verlag Herder, 2017, Seite 160

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