"Man kann ihm nicht entrinnen, dem neuen Verbrechen der Kontaktschuld. Es wird dadurch begangen, dass man sich einer offenen Demonstration anschließt, bei der auch Menschen mitlaufen, die eigentlich nichts mit dem Anliegen der Veranstalter und Teilnehmer zu tun haben. Ja es reicht sogar schon, wenn sich eine andere – z.B. eine rechte oder randalierende – Gruppe in einiger Entfernung zusammenfindet und absurde Aktionen veranstaltet. So geschehen bei der Verdrängung einer eigentlich ganz friedlichen Aufforderung zum „sit-in“ auf den Stufen des Reichtages durch eine Gruppe rechts-grölender Randalierer, die behaupteten, den Reichstag stürmen zu wollen. Schon wurden alle Teilnehmer der Demo am 29.8. von den Medien und Politikern mit dem Makel der Kontaktschuld versehen.
Der Standardsatz: „Man muss halt wissen, wo man mitläuft…“ impliziert, dass man durch seine Teilnahme an einer fröhlich-friedlichen Demonstration gegen übertriebene Corona-Maßnahmen billigend in Kauf nimmt, dass auch rechtsgerichtete Pöbler mitlaufen. Diese Art der Kontaktschuld laden wir aber alle aber täglich auf uns. Wenn wir z.B. im öffentlichen Nahverkehr sitzen, sind in vollen Zügen sicherlich auch einige rechtsgerichtete Aktivisten, Antisemiten, Klimaleugner oder andere „infektiöse“ Individuen. Wenn man also nicht jeden Einzelnen im Zug nach seiner Gesinnung befragt, bevor man einsteigt, macht man sich automatisch schuldig. Sie könnte ja anfangen, ihre Parolen herauszubrüllen. Das Fallbeil der Kontaktschuld ist gefallen, bevor man es bemerkt hat.
Für viele Teilnehmer und Sprecher auf den Demos der Querdenker hat diese Kontaktschuld dramatische Konsequenzen: Sie werden suspendiert oder entlassen, von ihren Kollegen stigmatisiert und müssen sich bei ihren Freunden und in der Familie rechtfertigen. Viele werden dann gemieden, wie einst Lepra-Kranke. Es trifft auch viele Freischaffende und sogar Unternehmer: Sie bekommen plötzlich keine Aufträge mehr. Einige stehen bald mittellos da und müssen um Spenden bitten.
Zitat aus: Die Kunst der passiven Lüge, Marc DeSargeau, FAGULON-Verlag 2021
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