top of page
  • Jens Gnisa und FAGULON

Geldgeile Anwälte und abhängige Staatsanwälte


Im Netzwerk der deutschen Justiz behindern sich zwei Ebenen gegenseitig und die Politik schaut zu. Auf der einen Seite sind die Anwälte daran interessiert, dass Prozesse möglichst lange dauern und der Streitwert so hoch wie möglich angesetzt wird. Danach bemessen sich nämlich ihre Einnahmen. Der Anwalt wird dies natürlich immer damit begründen, dass er seinem Klienten einen möglichst guten Service bieten will. Er posiert in allen Gesprächen als Freund des Angeklagten. Tatsächlich hat er aber meist nur einen wirklichen Freund: das Geld.


Auf der anderen Seite wird die Justiz durch die nur in Deutschland vorkommende Positionierung von Staatsanwälten behindert. Sie sind Befehlsempfänger in einer Hierarchie, an deren Spitze eigenartigerweise die Politik steht. So kann man politisch unliebsamen Menschen - z.B. Publizisten, die nicht politisch korrekt schreiben oder Polizeibeamten, die privat auf Demos auftreten - ganz einfach die Staatsanwaltschaft auf den Hals hetzen. Irgendetwas lässt sich immer finden, bei jedem - man muss nur gründlich suchen!


Die Vernetzung von Abhängigkeiten und Interessen bei Anwälten und Staatsanwälten führt oft zu Mammutprozessen, die enorm viel Geld kosten und z.T. Jahre dauern können. Ein besonders absurdes Beispiel beschreibt Gnisa im ZItat 3.


Zitat 1:

"Fassen wir zusammen: Die Strafverfahren werden komplizierter und die Arbeit nimmt zu. Dadurch hat die Justiz große Probleme, zeitnah zu einem gerechten Urteil zu kommen. Die Richterschaft verlangt mehr Personal und effektivere Verfahrensordnungen – ohne befriedigendes Ergebnis.


Die Anwälte hingegen haben großen politischen Einfluss (allein im Deutschen Bundestag sitzen 80 Rechtsanwälte) und wehren sich erfolgreich gegen die Straffung der Prozessordnungen. So hat die frühere Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) viele Reformen verhindert. Heiko Maas (SPD) wollte reagieren, ihm sind aber effektivere Mittel zerredet worden.


Während die Anwaltschaft argumentiert, der Bundesgesetzgeber mache zu viele Gesetze, sieht dieser dazu keine Alternative und fordert, die Länder müssten eben mehr Personal einstellen. Die aber sehen sich dazu nicht in der Lage, weil ihnen der Bund nicht ausreichend Finanzmittel zur Verfügung stelle. Dieses Karussell führt in die Verantwortungslosigkeit. Alle blockieren sich gegenseitig."

Jens Gnisa, Das Ende der Gerechtigkeit, Ein Richter schlägt Alarm, Verlag Herder, 2017, Seite 172


Zitat 2:

"Der deutsche Rechtsstaat hat noch einen weiteren Geburtsfehler, der ihn gefährdet: Das Weisungsrecht gegenüber Staatsanwälten. Zwar sind wir Richter unabhängig, aber das gilt nicht für die Staatsanwälte. Ihre Hände sind in doppelter Hinsicht gebunden: Zum einen muss ein Staatsanwalt Weisungen seines Behördenleiters entgegennehmen. Er ist dem leitenden Oberstaatsanwalt unterstellt und über dem sitzt der Generalstaatsanwalt. Diese Hierarchie ist zunächst einmal nützlich, weil sie die Anklagepraxis vereinheitlicht.


Problematisch ist jedoch das externe Weisungsrecht - das des Justizministers. Diese politische Instanz kann über die Staatsanwaltschaft direkt auf Entscheidungen in den Ermittlungsverfahren Einfluss nehmen. Der Justizminister kann die Anweisung erteilen, Ermittlungen aufzunehmen oder fallen zu lassen, anzuklagen oder einzustellen.


Eine besondere Rolle hat der Generalbundesanwalt, der nicht einmal Teil der rechtsprechenden Gewalt ist, sondern zur Exekutive zählt. Vom Bundesjustizminister mit Zustimmung des Bundesrats ernannt, ist er auch noch politischer Beamter kann jederzeit ohne Angabe von Gründen in den Ruhestand geschickt werden. In fast allen Rechtsstaaten der Welt ist das anders: Die Staatsanwaltschaft ist dort völlig unabhängig von der Politik. In Deutschland wird dagegen argumentiert, dass es für jedes staatliche Handeln jemanden geben müsse, der es vor den Parlamenten rechtfertigen könne. Das aber setze auch die Möglichkeit der Einflussnahme voraus.

Jens Gnisa, Das Ende der Gerechtigkeit, Ein Richter schlägt Alarm, Verlag Herder, 2017, Seite 180


Zitat 3:

"Im April 2017 platzte ein Verfahren vor dem Landgericht Koblenz gegen 26 angeklagte maßgebliche Neonazis. Die Anklageschrift umfasste bereits 1000 Seiten. Nach 337 Verhandlungstagen und fünf Jahren Verhandlungszeit wurde abgebrochen, da das Verfahren vor der Pensionierung des Vorsitzenden nicht mehr zu Ende geführt werden konnte. In dem Verfahren waren 400 Verfahrensanträge, 240 Beweisanträge und über 500 Befangenheitsanträge gestellt worden.


Ein solcher Prozess ist kein Strafverfahren, sondern ein Martyrium für die Richter und belegt eindrucksvoll einen durchgreifenden Reformbedarf. Nun muss mit anderen Richtern wieder bei Null begonnen werden. Bei solchen Verfahren sind wir mit unserer sperrigen Prozessordnung am Ende dessen, was justiziabel ist. Auch deswegen brauchen wir eine Reform der Strafprozessordnung, orientiert an anderen Staaten, siehe das Beispiel Norwegen. Dass die Lobby der Strafverteidiger versucht, durchgreifende Reformen zu verhindern, weil der Status quo für sie lukrativer ist, darf kein Grund sein, sie nicht zügig anzupacken.


Auch das Revisionsrecht muss reformiert werden. Denn heute gilt in Deutschland, dass ein einziger Fehler in der Prozessführung zur vollständigen Aufhebung eines jahrelangen Prozesses führen kann. Auf diese Weise werden Vermeidungsstrategien der Gerichte gefördert und Verfahrensverzögerungen verursacht.

Jens Gnisa, Das Ende der Gerechtigkeit, Ein Richter schlägt Alarm, Verlag Herder, 2017, Seite 259






bottom of page