Sind die gewalttätigen Proteste gegen Polizeigewalt in den USA oder gegen das eigentlich ganz harmlose - weil wie immer ergebnisarme - G20 Treffen in Hamburg Ausdruck politischen Protestes? Dann wären die Forderungen der Randalierer konkret, statt absurd und pauschal. Dann würde man nicht das Eigentum völlig Unbeteiligter zerstören und abbrennen. Besonders die Bilder des hektischen Ausraubens und Zerstörens von Luxusgeschäften in den USA und die sinnlose Vernichtung vieler Geschäfte und Restaurants im Besitz von Minderheiten zeigen das wirkliche Motiv. Neid der (angeblich oder wirklich) Benachteiligten entlädt sich in einem Rausch zerstörerischen Hasses. Erstaunlicherweise können aber schon kleine Unterschiede in Einkommen und Lebensumständen zu Neid und Hass führen, wie nachfolgend beschrieben.
Zitat: "Und Wachstum selbst ist keineswegs der Weg zur allgemeinen Zufriedenheit, denn wenn es allen gleichmäßig besser geht, geht es niemandem besser. Die Verschiedenheiten vermindern sich, aber die Gleichheitserwartungen wachsen. Das liegt ganz einfach daran, dass Menschen sich vergleichen. Aber mit wem vergleicht man sich? Mit den relevanten Anderen. Und in diesem Vergleich können auch kleinste Differenzen als schreiend ungerecht empfunden werden. Je geringer die Unterschiede, desto größer die Gleichheitserwartungen und desto größer das Ressentiment. Der neiderfüllte Vergleich steigert sich in einer Spirale positiver Rückkopplungen. Und je größer die Erwartungen, desto größer der Neid.
So wird die moderne Kultur von einem Jammern auf hohem Niveau begleitet; die Klagelieder erklingen aus dem Herzen des Wohlstands. Hier zeigt unsere Kultur deutlich tragische Züge, denn gerade in einer ihrer wichtigsten Errungenschaften, dem fundamentalen demokratischen Prinzip der Rechtsgleichheit, steckt ein Potential für Fanatismus: die neidische Gleichstellung auch derer, die durch Bildung, Erziehung und Einsicht besser, erfolgreicher sind. Ressentiment ist der Hass auf den Erfolg. Was der Neidische am Erfolg hasst, ist nicht nur der Reichtum der anderen, sondern die Anforderungen von Disziplin und harter Arbeit, die Erfolg überhaupt erst möglich machen. Dieses Ressentiment ist in der Kultur der Boheme schöpferisch geworden - als Wille zum Unglück. Die subkulturelle Verklärung der Erfolglosigkeit hat fast zwei Jahrhunderte intellektueller Antibürgerlichkeit getragen, deren Rhetorik vom ,,Philister“ Hölderlins bis zum „Establishment“ der 68er reicht.
Sobald der Neid keine soziale Ausdrucksform mehr findet, schlägt er um in Wut und schafft sich Luft in der Attacke auf Symbole des sozialen Unterschieds. Die wachsende ökonomische Entbehrlichkeit vieler Menschen macht diesen Umschlag heute immer wahrscheinlicher. Die Überflüssigen werden ausgeschlossen, und die intellektuellen Fanatiker nehmen sich nun dieser Menschen an, die die Weltgesellschaft aus sich ausgeschlossen hat. Wer in der Gesellschaft keine Anerkennung findet, sucht sie gegen sie. Aus Neid wird Fanatismus.
Im Neid droht die Leidenschaft der Gleichheit die Freiheit zu zerstören. Nun ist die Demokratie ja der Idee der Gleichheit verpflichtet; sie garantiert gleiche Rechte und formale soziale Chancengleichheit. Aber gerade dadurch werden die faktischen Ungleichheiten in Macht, Reichtum und Prestige umso auffälliger.
Norbert Bolz, Diskurs über die Ungleichheit, Wilhelm Fink Verlag, München, 2009, Seite 14
Comments