Zitat 1: „Wie sie vermutlich alle wissen, aber nicht wagen auszusprechen, ist die repräsentative parlamentarische Demokratie in Deutschland und in fast allen europäischen Ländern ein Tanz von Marionetten vor der Fassade eines riesigen Gebäudes. Jede Dummheit, Fehlentscheidung oder aussitzende Passivität ist in einer Fassadendemokratie fast folgenlos möglich, und zwar solange das Land reich und stabil ist, die Bürger wohlhabend sind und sich sicher fühlen. Unter diesen Umständen könnten auch dressierte Affen regieren!
Allerdings zeigt die Vergangenheit, dass ein äußerlich reich begrünter Baum innerlich hohl und morsch sein kann. Dann bricht er manchmal schlagartig und für die Öffentlichkeit unerwartet zusammen. Die Finanzkrise 1929 hat dies ebenso gezeigt, wie die Krise 2008, die uns näher an einen Zusammenbruch der Weltwirtschaft gebracht hat, als die meisten ahnen. Aber auch der Zusammenbruch der DDR und des sozialistischen Staatensystems und die verbrannten Bäume, die nach dem "arabischen Frühling" übrig geblieben sind, zeigen dies neben vielen anderen Beispielen, die ihnen wohl bekannt sind.
Die Warnungen der Wenigen, die aufgrund ihrer tieferen Einsichten und ihres Mutes auf den bevorstehenden Eintritt solcher Katastrophen frühzeitig hingewiesen haben, wurden stets ignoriert oder sogar verlacht. Fast alle Bürger und Politiker bewegen sich innerhalb eines engen Radius individuellen Komforts des Denkens, den sie auf keinen Fall verlassen wollen.“
Zitat 2: „Ich möchte mit Blick auf unser Land und viele der EU-Staaten an das in meinem Vortrag heute Vormittag verwendete Bild erinnern: Es ruht auf drei Felsen und ist durch ein großes Netz von Verstrebungen und Balken festgefügt. Nicht Krisen, sondern nur Katastrophen können das Ganze oder Teile davon zum Einsturz bringen, so dass Neues gebaut werden kann. Kaum sichtbare Strippen reichen ins Innere dieses monumentalen Bauwerks und verlieren sich in dessen Tiefen.
Eigentlich sollte die Stimme des Volkes (Vox populi) durch die von ihnen gewählten Abgeordneten sprechen. Die Wirklichkeit sieht jedoch wesentlich anders aus, was ich durch die Umformung des ursprünglichen Begriffes zu "Voxe Popse" ausdrücken möchte. Dieser Begriff symbolisiert eine zweifache Verzerrung des demokratischen Ideals: Der allergrößte Teil des Volkes ist nicht in der Lage, sich zu den komplizierten Problemen von Gesellschaft und Wirtschaft eine kompetente Meinung zu bilden und die Politiker haben lächerlich geringe Entscheidungsspielräume.
Sie sind zu Tänzern vor der Fassade der Demokratie geworden; das Volk gibt das Theaterpublikum. Gespielt wird jeden Tag das gleiche Stück: Voxe Popse. Das ist jedoch nicht weiter schlimm, solange der außen grünende und innen ausgehöhlte morsche Baumriese der Gesellschaft nicht durch den Sturm einer Katastrophe umgeblasen wird. Dann greifen jedoch die Mechanismen, mit denen die Wirtschaft - und manchmal auch die Wissenschaftler - im Inneren die Strippen ziehen, nicht mehr.“
Zitat aus: Marionetten, Neo-Stalis und Monsterwellen, Marc DeSargeau, FAGULON-Verlag 2021
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