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  • Marc DeSargeau und FAGULON

Neuartige Ausbildung und die Wahl von Journalisten



"Professoren breiten ihr Wissen und ihre Meinung in der Regel nur vor wenigen Studenten und einem sehr kleinen Fachpublikum aus. Man brauchte nicht 40.000 Journalisten dieses neuen Typs; es reichten sicherlich schon 2.000 bis 4.000. Warum sollten davon nicht mindestens die Hälfte Quereinsteiger sein, die in ganz unterschiedlichen Bereichen des Lebens und der Arbeitswelt Erfahrungen gesammelt haben? Sie könnten – bei entsprechender Begabung – das nötige Handwerk in kurzer Zeit lernen. Wenn Praktikanten bereits nach einer Woche ihre ersten Beiträge oder Artikel produzieren, dann sollte dasselbe doch auch klugen Quereinsteigern mit Erfahrung im wirklichen Leben gelingen - besonders wenn sie sich einer journalistischen Zusatzausbildung unterzogen haben.


Zusätzlich müsste für Journalisten, die den oben genannten Werdegang durchlaufen haben, eine demokratische Auswahl und Legitimation geschaffen werden. Anders als die meisten „demokratisch gewählten“ Marionettentänzer vor der Fassade der Demokratie beeinflussen Journalisten täglich das Wissen und die Meinungen von Millionen. Also müssten sie vor allen anderen nicht nur fachlich und menschlich hochqualifiziert sein, sondern auch demokratisch gewählt werden. Hierzu würde sich eine Art „Wahlparlament für Journalisten“ eignen, welches zwar repräsentativ die jeweilige Bevölkerungsstruktur der Region widerspiegelt, jedoch nur aus Menschen zusammengesetzt ist, die für eine solche Funktion das nötige Wissen besitzen und ein echtes Interesse an dieser Aufgabe haben. Dies sollten z.B. diejenigen sein, welche den Wählerführerschein besitzen, von dem in einem meiner früheren Vorträge die Rede war.


Am besten fände ich es, wenn eine solche Wahl zum Redakteur an einer öffentlich-rechtlichen Anstalt oder einer großen Zeitung nur für 2-3 Jahre gelten würde, wobei nach einer gewissen Zeit (z. B. 6 Jahre) eine erneute Bewerbung auf die gleiche Stelle ausgeschlossen wäre. Auf diese Weise würde eine Rotation der Journalisten zwischen den Medien und anderen Lebensbereichen erzwungen werden, was die Bildung von Klüngeln und Seilschaften verhindern könnte.


Die heutige Situation ist genau das Gegenteil: Man kommt in einer Redaktion deshalb unter, weil man Teil einer Seilschaft von Journalisten ist oder sich den Entscheidungsträgern angenehm macht. Eine solche Auswahl von Leuten, deren Meinungen millionenfach vervielfältigt werden, ist einer modernen Gesellschaft unwürdig.

Stattdessen müssen hier die gleichen strengen Ausbildungs-, Prüfungs- und Kontrollmechanismen angewandt werden, wie dies selbstverständlich bei allen anderen Berufen üblich ist, bei denen Fehlleistungen das Wohlergeben, das Leben oder die Sicherheit der Mitmenschen gefährden können. Was für Ärzte, Ingenieure, Naturwissenschaftler, Schiffskapitäne oder Richter als notwendig und normal angesehen wird, muss auch für Journalisten gelten."


Zitat aus: Die Religion der Überkompensationen, Marc DeSargeau, FAGULON-Verlag 2021

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